The Organicer: Ordnung im Schrank & nachhaltige Altkleiderverwertung
Altkleider
Kreislaufwirtschaft
Hannah
20.09.2023
The Organicer ist ein Frankfurter Startup, das seinen Kund*innen dabei hilft, ungetragene Altkleider und andere Haushaltsgegenstände auszumisten. Der Service soll aber nicht nur bequem sein, sondern ist auch auf Nachhaltigkeit und Wohltätigkeit ausgerichtet. Was mit den Altkleidern passiert und wie das genau funktioniert erfahrt ihr im Interview mit Gründerin Sabine Nietmann.
Hallo Sabine, erzähl uns doch bitte was The Organicer ist und wie du auf das Konzept gekommen bist.
Mein Name ist Sabine Nietmann, bin 35 Jahre alt und komme aus Frankfurt am Main. The Organicer ist ein Ordnungscoaching-Startup mit Fokus auf Nachhaltigkeit und Wohltätigkeit. Ich unterstütze meine Kund*innen beim Aufräumen, Loslassen und Ordnung halten und vermittle die Gegenstände, die sie nicht mehr benötigen, an Hilfsbedürftige im Rhein-Main-Gebiet und in der ganzen Welt.
Gegründet habe ich The Organicer 2019 nebenberuflich, denn im Hauptberuf bin ich nach wie vor Flugbegleiterin. Diese Tätigkeit hat davor auch über Jahre dazu beigetragen, dass ich weltweit sehr viel und sehr bedenkenlos eingekauft habe – bis zu dem Punkt, als ich mich 2015 in meiner Wohnung nicht mehr wohl-, sondern von den vielen Dingen fast erstickt fühlte. Dann begann meine eigene Aufräumreise und hat mich so erleichtert und beschwingt, dass ich gerne anderen dabei helfen wollte, ebenso Ballast abzuwerfen und leichter zu leben.
Für unsere Kund*innen in Frankfurt ist vor allem das Thema Altkleider spannend. Spielen Altkleider bei The Organicer auch eine große Rolle?
Kleiderschränke sind neben Küchen und Kellern tatsächlich meine häufigsten Projekte, da viele meiner Kund*innen allein überfordert sind. Sie brauchen Hilfe beim Prozess des Loslassens, sie wissen selbst nicht wohin mit den Spenden und manchmal braucht es einfach den frischen Blick eines Ordnungscoach, der neue Ideen mitbringt, wie man den vorhandenen Kleiderschrank inklusive Inhalten neu und optimiert gestalten kann!
Gerade das Thema Kleidung ist sehr spannend, da sich beim Ausmisten die Gespräche erst um die Kleidung selbst, aber dann später häufig auch um größere Fragen drehen – zum Beispiel: Wer bin ich eigentlich? Wer will ich sein? Entspricht meine Garderobe der Person, die ich bin/ darstellen möchte? Ist mein Job der richtige? Ist mein*e Partner*in der/die richtige? Was erwarte ich mir von meinem Leben? Was muss ich annehmen, was kann ich ändern?
“Äußere und innere Ordnung korrelieren sehr miteinander, das wird vielen im Aufräumprozess erst so richtig bewusst.“
Wie hilfst du deinen Kund*innen zu entscheiden, welche Kleider sie behalten und welche sie weggeben?
Die Prozessschritte sind eigentlich immer die gleichen: Reduzieren, Sortieren, Optimieren.
Im ersten Schritt werden wirklich alle Kleidungsstücke aus dem Schrank geräumt und etwa auf dem Bett nach Kategorien sortiert aufgetürmt. Der Berg, der zumeist entsteht, ist absolut gewollt – ich möchte meine Kund*innen physisch mit der Menge konfrontieren, die sie besitzen, daher nenne ich diesen Kleiderhaufen liebevoll den “Therapieberg”. Er soll dazu führen, dass man sich den eigenen Konsum bewusst macht und – in den meisten Fällen – auch etwas schockiert ist.
Im nächsten Schritt ermutige ich meinen Kund*innen, aus jeder Kategorie intuitiv drei bis fünf Lieblingsteile auszusuchen und dann alle weiteren Teile dieser Kategorie mit den Lieblingsteilen zu vergleichen. Am Ende trägt man schließlich doch immer wieder dieselben Stücke und durch den direkten Vergleich wird einem dies nochmal bewusster. Durch sanftes Nachfragen unterstütze ich meine Kund*innen während des Prozesses: “Wann hast Du dieses Stück zuletzt getragen? Fühlst Du dich darin wohl, ist es bequem? Entspricht es der (heutigen oder künftigen) Person, die du sein möchtest?”
Zu meiner Dienstleistung gehört, dass ich die Stücke, die meine Kund*innen spenden möchten, am Ende des Tages direkt mitnehme und innerhalb meines großen Sachspendennetzwerks hilfsbedürftiger Menschen im Rhein-Main-Gebiet, aber auch weltweit, vermittle. Das vereinfacht den Prozess für meine Kund*innen massiv, da sie sich um nichts kümmern müssen, aber wissen, dass ihre Spenden dort ankommen, wo sie benötigt werden. Zusätzlich erleichtert es den Trennungsprozess, wenn sich jemand anderes noch über die Stücke freut!
Nachdem reduziert und sortiert wurde, werden die Kleidungsstücke im Optimalfall auf einheitliche Kleiderbügel nach Kategorien und/oder Farben sortiert gehängt und in Schubladen und/oder Boxen gefaltet einsortiert. Damit die Ordnung anhält, rate ich zur “One In, One Out” Regel, das heißt für jedes neue Teil sollte ein altes gehen dürfen.
Extra-Tipp: Nach einem Kleiderschrank-Check alle Bügel falsch herum in den Schrank hängen und nach jedem Tragen richtig herumdrehen. So sieht man beim nächsten Check direkt, welche Teile man getragen hat und welche nicht!
Was ist der häufigste Grund, aus dem deine Kund*innen Kleider loswerden wollen?
Viele meiner Kund*innen fühlen sich von ihrem eigenen Besitz erschlagen, haben den Überblick verloren, wissen nicht wohin mit den aussortierten Stücken und sind insgesamt unglücklich, wenn sie vor ihrem Schrank stehen; was an sich ja schon absolut paradox ist – da man sich ja immer ausmalt, dass Dinge und Käufe einen glücklich(er) machen sollten. In der Realität ist häufig das Gegenteil der Fall; zu viel Auswahl strengt das Gehirn an und das Konsumverhalten hat in den letzten zwanzig Jahren massiv zugenommen.
Konsum wird uns heutzutage zu leicht gemacht, durch Kartenzahlung und Onlineshopping verlieren wir den Bezug zum Geld. Kleidung ist insgesamt viel zu günstig und viele von uns kompensieren den Alltagsstress mit Impulskäufen. Man “belohnt” sich zu häufig mit neuer “Trend”-Mode, die nichts weiter als einen ungesunden Wegwerfkreislauf fördert.
"Nicht umsonst wird der Trend zur Capsule Wardrobe mit sehr wenigen Teilen, die man gut miteinander kombinieren kann, immer beliebter. Die Leute achten mehr auf Qualität statt Quantität, was ich persönlich natürlich sehr begrüße."
Hier hat in den letzten Jahren aber zum Glück ein Umdenken eingesetzt, immer mehr Menschen machen sich darüber Gedanken, wo ihre Mode herkommt, unter welchen Bedingungen diese hergestellt wurde (Stichwort Fair Fashion). Nicht umsonst wird der Trend zur Capsule Wardrobe mit sehr wenigen Teilen, die man gut miteinander kombinieren kann, immer beliebter. Die Leute achten mehr auf Qualität statt Quantität, was ich persönlich natürlich sehr begrüße. Ich ermutige meine KundInnen auch dazu, sich mehr mit Vintage und Secondhandmode zu beschäftigen, um eine Alternative zur, zum Teil qualitativ sehr minderwertigen, Fast Fashion zu finden.
Du hast bestimmt schon viele Kleiderschränke von innen gesehen. Wie hoch ist der Anteil der Kleider, den wir wirklich tragen?
Leider sagt man – und das kann ich aus der Praxis bestätigen – dass man im Schnitt nur 20% des eigenen Kleiderschrankinhalts trägt. Dies sollte einen schon zum Nachdenken bzw. Überdenken des eigenen Konsums anregen. Recyclehero unterstützt die Menschen ja sehr, indem simple, aber für die Kund*innen sehr bequeme und insgesamt nachhaltige Lösungen für einen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft angeboten werden!
Du hattest ja bisher schon lokale und globale Lösungen für die Weiterverwertung der Altkleider deiner Kund*innen. Kannst du uns hierzu ein bisschen was erzählen?
Über Jahre habe ich mein Netzwerk an Sachspendenabnehmer*innen stetig ausgebaut und bin inzwischen selbst überrascht, wie ich früher auch meine eigene Kleidung immer nur zum Kleidercontainer bringen konnte. Nun laufen mir nahezu wöchentlich neue Optionen über den Weg, seien es lokale Initiativen wie Frauen- und Mädchenhäuser, Sozialkaufhäuser, Obdachloseninitiativen, Diakonien und Caritasverbände, Geflüchtete, aber auch Oxfam oder ähnliche Einrichtungen.
Weltweit versorge ich auf meinen Reisen als Flugbegleiterin mit meinem Kofferinhalt Waisenhäuser oder Menschen in Armenvierteln, bedarfsgerecht mit Kleider-, Schuh- und Schulmaterialspenden, aber ich unterstütze auch Schulpatenschaften mit monetären Spenden, um Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten und dazu beizutragen, den Menschen eine Perspektive zu geben.
Wie kann recyclehero deine bisherigen Abläufe (besonders im Hinblick auf Soziales & Umwelt) ergänzen?
Ich finde es wichtig, dass den Menschen Alternativen zu den gängigen Möglichkeiten geboten werden, ungetragene Kleider einem Kreislauf zuzuführen. Viele kennen nur die bekannten Altkleidercontainer, hier hat sich die letzten Jahre allerdings auch rumgesprochen, dass nicht alle Container, die in deutschen Innenstädten stehen, von seriösen Betreibern aufgestellt werden.
@recycle.hero Wo landen deine Altkleider? Altkleider, die du in den Altkleidercontainer wirfst, werden meist exportiert und schaden den Importländern. Darum setzen wir bei recyclehero uns für lokale Kreisläufe ein. Buch deine kostenlose Altkleiderabholung unter https://www.recyclehero.de/altkleider ♻️💚 #altkleidercontainer #altkleidersammlung #altkleider #altkleiderverwertung #secondhandkleidung #kreislaufwirtschaft #recyclingtips #textilexporte #importban ♬ Storytelling - Adriel
Dies hat das Vertrauen vieler zerstört und wenn man sich kaum mit dem Thema beschäftigt, kommt man vielleicht gar nicht auf die Idee, dass nicht nur in Sondersituationen wie zum Beispiel Naturkatastrophen, sondern auch regelmäßig vor der eigenen Haustür Kleiderspenden von Menschen benötigt werden, mit denen es das Schicksal nicht so gut gemeint hat. Dabei denke ich an sozial schwächere Familien, Geflüchtete, aber auch Obdachlose. Hier kann man sich regional informieren und Kleider etwa an Sozialkaufhäuser, Basare für den guten Zweck, karitative Initiativen oder auch online im Paket an (seriöse) Vermittler weitergeben. Einige Händler nehmen inzwischen auch Textilien zum Stoffrecycling an, das ist natürlich auch einer von vielen Bausteinen für eine nachhaltigere Gesellschaft.
"Durch mehr Überblick im eigenen Kleiderschrank, das Reduzieren auf die Lieblingsteile, die wirklich getragen werden und ein Auseinandersetzen mit dem eigenen Konsum hat man gar nicht mehr das Bedürfnis, so viel neu zu kaufen."
Aber am allerwichtigsten ist es, die Menschen zu einem Umdenken zu bewegen: “Brauche ich dieses neue T Shirt für 4,99€ wirklich? Habe ich nicht bereits zehn ähnliche im Schrank? Wie kann dieses Kleidungsstück für so einen geringen Preis hergestellt worden sein?” Ich sage immer “Aufbrauchen vor Neukaufen” und meine Erfahrung zeigt: Durch mehr Überblick im eigenen Kleiderschrank, das Reduzieren auf die Lieblingsteile, die wirklich getragen werden und ein Auseinandersetzen mit dem eigenen Konsum hat man gar nicht mehr das Bedürfnis, so viel neu zu kaufen. Ordnung macht also wirklich glücklich!
Recyclehero kann hier einen großen Beitrag leisten, indem den Menschen gratis und unkompliziert Lösungen für gängige Probleme (“zu viel Kleidung, wohin damit, wer kümmert sich”) geboten und Menschen für ihr Konsumverhalten und den eigenen Beitrag zur Nachhaltigkeit sensibilisiert werden.
Für recyclehero ist Kreislaufwirtschaft ein zentrales Thema. Wir möchten eine lokale und zeitsparende Möglichkeit anbieten, weitere Wertstoffe wie Altglas und Papier in den Recyclingkreislauf zu bringen. Siehst du bei deinen Kund*innen dafür ein größeres Bewusstsein entstehen?
Das Bewusstsein für weniger Konsum und mehr Kreislaufwirtschaft wächst meiner Erfahrung nach stetig an, dies kann ich in meinem Kund*innenkreis absolut beobachten und das freut mich sehr! Die Menschen haben einerseits immer weniger Zeit, daher suchen sie nach Lösungen, die ihnen mehr Freizeit schenken oder sie entlasten – Stichwort Altglas (oder auch in manchen Kommunen Altpapier) zum Container bringen, denn dies wird häufig als sehr lästig angesehen.
Gleichzeitig wird das Bewusstsein für Recycling und einen nachhaltigen Lebensstil immer präsenter, daher passt Recyclehero absolut in dieses Thema und wird, auch durch die Nutzung moderner Lastenräder, einen großen Beitrag in den Bereichen Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit leisten, davon bin ich zutiefst überzeugt!
Sind Themen wie Nachhaltigkeit und Recycling auch Gesprächsthema in deinen Onlinekursen, wenn es darum geht, was mit den aussortierten Sachen passiert?
Nachhaltigkeit und Recycling sind in meinem Unternehmen omnipräsent, da ich versuche, alles, was möglich ist, in einen Kreislauf zurückzuführen und wirklich nur Gegenstände entsorge, die wirklich kaputt sind. Hier ist mir das Bewusstsein für “ordentliches Recycling” sehr wichtig, nicht nur in den Workshops, sondern zum Beispiel auch auf Social Media. Dort finden immer mal wieder Themenwochen statt, im Rahmen derer ich Recycling Facts & Figures teile, die bei den Follower*innen sehr beliebt sind. Häufig bekomme ich die Rückmeldung, dass sie etwa sehr überrascht darüber sind, was in welche Tonne gehört und was nicht.
Für alle intakten Spenden versuche ich AbnehmerInnen zu finden - auch wenn dies hinter den Kulissen für mich und meine MitarbeiterInnen sehr aufwendig ist, die Spenden zu sortieren und bedarfsgerecht weiterzugeben, aber genau das ist die DNA meiner Firma: den Kreislauf der Dinge wieder zu schließen und die, die zu viel haben, zu entlasten, um denen, die zu wenig haben, eine Unterstützung und Perspektive geben zu können. Genau hier sehe ich fantastische Kooperationsmöglichkeiten mit Recyclehero, da das ja auch genau eurer Mission entspricht.
Um die Welt von morgen Schritt für Schritt besser zu machen, müssen viele von uns die alltäglichen kleinen “bequemen” Gewohnheiten verändern; auch dort, wo es ein bisschen wehtut – und genau da setzen eure und meine Dienstleistungen an: Wir erleichtern den Menschen den Schritt in ein nachhaltigeres, ressourcenschonenderes Leben, indem wir Unterstützung genau an den Punkten bieten, wo bei den Menschen ansonsten gerne die Bequemlichkeit einsetzt. Also: Lasst uns gemeinsam die Welt Tag für Tag ein bisschen besser machen und vielen Dank für Euer Engagement!