Digitaler Produktpass für transparente Lieferketten

Der Digitale Produktpass (DPP) ist ein Versuch der EU, Lieferketten in der Modeindustrie transparenter zu gestalten. Bisher ist er zwar nur ein Gesetzesentwurf, aber der Digitale Produktpass wird schon von einigen Marken eingesetzt und könnten auch ein wichtiges Element für eine erfolgreiche Kreislaufwirtschaft sein. In diesem Beitrag erklären wir, wie der Digitale Produktpass funktionieren sollen, warum wir ihn überhaupt brauchen und was genau er erreichen will.

Ein Digitaler Produktpass ermöglicht mehr Transparenz in unseren Lieferketten. Er soll über QR-Codes oder Barcodes an Kleidungsetiketten einsehbar sein.

 

Jedes Jahr veröffentlicht Fashion Revolution, eine internationale Organisation, die sich für nachhaltige Mode und faire Arbeitsbedingungen einsetzt, den sogenannten Fashion Transparency Index, in dem sie aufzeigt, wie viele Informationen die größten Modemarken der Welt über ihre Lieferketten und deren Auswirkungen offenlegen. Das diesjährige Paper hat zwar einige Fortschritte aufgezeigt, aber auch dieses Jahr liegt der allgemeine Score für Transparenz in den Lieferketten über alle Marken hinweg bei nur 23%. Außerdem kommunizieren 45% der Marken so wenig, dass ihr Transparenz-Score bei 0-1% liegt.

Die zugleich selbstverständlichste, aber wohl auch erschreckendste Zahl von allen: 99% der Marken kommunizieren nicht, dass sie die Anzahl der produzierten Kleidungsstücke reduzieren wollen. Greenpeace hat die Begleiterscheinungen des Phänomens Fast Fashion einmal anschaulich formuliert: "Die Trends von heute sind der Müll von morgen." Hinzu kommt, dass wir nur von 12% der Marken wissen, wie viele Kleidungsstücke sie überhaupt produzieren. So kann die Angabe von Zahlen über Textilmüll immer nur eine Schätzung sein.

"Die Trends von heute sind der Müll von morgen."

Der Fashion Transparency Index liefert einige weitere wichtige Erkenntnisse zu Textilmüll: Während 37% der untersuchten Marken ein sogenanntes "Take-Back-Programm" für Altkleider anbietet (also die Möglichkeit zur Rückgabe von Altkleidern bei der jeweiligen Marke, woraufhin sich die Marke für die Entsorgung der Textilien kümmert), veröffentlichen nur 28% der Marken, was schließlich mit den abgegebenen Altkleidern passiert. Außerdem fand die Ellen McArthur Foundation heraus, dass nur 1% der getragenen Kleidung wieder zu neuer Kleidung recycelt wird.

 

Obwohl es auch positive Entwicklungen wie etwa die Zunahme des Faser-zu-Faser-Recycling gibt, ist es erschreckend, dass dieses Jahr wieder nur 4% der Marken den Anteil ihrer Produkte angaben, der dazu designt ist um Kreisläufe zu schließen oder Textilrecycling zu ermöglichen. Transparenz ist in der Modeindustrie zwar nicht das Endziel, dennoch aber ein nötiger Schritt zum Erreichen von mehr Nachhaltigkeit und sozialen Bedingungen in den Lieferketten. Denn wir können nichts verändern, wenn wir gar nicht wissen, was wir verändern wollen.

 

Der Digitale Produktpass könnte für mehr Transparenz sorgen

Hier kommt der sogenannte Digitale Produktpass ins Spiel: Einige Marken arbeiten bereits mit digitalen Produktpässen, um einen kontinuierlichen Strom von Produktinformationen während des gesamten Lebenszyklus eines Kleidungsstücks zu gewährleisten und diese an einem digitalen Ort festzuhalten. So enthält der Digitale Produktpass Informationen zur Reparierbarkeit, Ersatzteilen oder fachgerechter Entsorgung für ein Produkt.

Der Digitale Produktpass ist Blockchain-basiert, funktioniert also dezentral und gewährleistet, dass die Daten sicher und für Endnutzer*innen leicht zugänglich sind. Die Daten können dann über ein Pflegeetikett abgerufen werden (wahrscheinlich über einen QR-Code oder Barcode), den Kund*innen scannen können, um die bereitstehenden Informationen anzuzeigen.

Diese digitalen IDs geben auch über den Erstverkauf hinaus Aufschluss über ein Produkt, was für die Kreislaufwirtschaft von großer Bedeutung ist: Wenn Verbraucher*innen Kleidung weiterverkaufen wollen, können sie einfach auf die Produktdetails zugreifen, um Käufer*innen oder Recyclingunternehmen Informationen über den Namen des Produkts, den ursprünglichen Verkaufspreis oder die Kollektion des Erstverkaufs zu geben sowie die Echtheit der Kleidungsstücke (beispielsweise im Fall von Designerkleidung) authentifizieren.

 

Der Digitale Produktpass als wichtiges Element der Kreislaufwirtschaft

Zusätzlich zu mehr Transparenz in den Lieferketten könnte der Digitale Produktpass allerdings auch dafür sorgen, dass Produkte besser auf die Kreislaufwirtschaft vorbereitet werden. So könnten Verbraucher*innen zum Beispiel Informationen und Anreize dafür erhalten, wie sie die Kleidung über den umweltfreundlichsten Wege weiterverkaufen oder recyceln können und so die Produktverantwortung zu erweitern.

Im Digitalen Produktpass könnte über die initial von der Marke hinzugefügten Informationen auch Aspekte wie Reparaturen, Vermietungen oder Verkäufe auf dem Secondhandmarkt eingetragen werden. Die Blockchain-Technologie verhindert hierbei, dass die Informationen verfälscht werden können. So könnte in Zukunft zum Beispiel im Rahmen des Digitalen Produktpasses auch festgehalten werden, wenn ihr eure Altkleider von recyclehero abholen lasst.

Letztendlich steht fest: Je genauer wir die Produktion eines Kleidungsstücks zurückverfolgen können, desto wahrscheinlicher ist es, dass es im Kreislauf bleibt und nicht weggeworfen wird. Die Vereinheitlichung umweltrelevanter Daten in einem standardisierten Format ermöglicht es allen Beteiligten entlang der Wertschöpfungskette auf eine geschlossene Kreislaufwirtschaft hinzuarbeiten.

 

Ab wann gibt es den Digitalen Produktpass?

Die Europäische Kommission hat den Digitalen Produktpass erstmals in 2023 vorgeschlagen. Der Pass ist eine von mehreren Ideen im Rahmen der Ökodesign-Verordnung, die wiederum auf den European Green Deal einzahlt: das Ziel der EU, bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent zu werden. Im Mai 2023 stimmten die EU-Staaten für den Digitalen Produktpass, den auch der Koalitionsvertrag vorsieht. Umweltstaatssekretärin Christiane Rohleder vom Bundesministerium für Umwelt äußert sich hierzu: 

"Die sinnlose Vernichtung gebrauchsfähiger Waren wird verboten. Besonders wichtig ist dies bei Textilien, da hier derzeit massenhaft Neuware vernichtet wird. Mit dem Digitalen Produktpass stärken wir zudem die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher in der gesamten EU, die umfassend über den ökologischen Fußabdruck des jeweiligen Produkts informiert werden und sich so bewusst für besonders nachhaltige Produkte entscheiden können."

Derzeit werden dazu Verordnungen ausgearbeitet, die hoffentlich 2024 verabschiedet werden, sodass der Digitale Produktpass 2026 in den ersten Produktkategorien eingeführt werden kann. Die Produktpässe sollen neben Textilien auch in einer Vielzahl von Produkten wie Elektronik oder Kunststoffen eingeführt werden. Bereits jetzt arbeiten einige etablierte Modemarken wie Chloé, Selfridges, Vestiaire Collective und Zalando mit digitalen Produktkennzeichnungen. Angesichts derart großer Namen können wir hoffnungsvoll sein, dass andere diesem Beispiel folgen werden, auch wenn sich die offizielle Gesetzgebung vielleicht noch um ein paar Jahre verzögert.

 

Transparenz als Selbstverständlichkeit

Wir freuen uns zu sehen, dass sich in der Modeindustrie auf gesetzlicher Ebene aktuell einiges tut. Es ist zwar wahnsinnig schwer, solche Prozesse anzustoßen und sie in der gesamten Lieferkette von der Materialentnahme bis zum/zur Kund*in zu etablieren, aber Gesetzgebung ist natürlich ein essentieller Teil für Fortschritt. Und Transparenz sollte langfristig Selbstverständlichkeit sein.

Auch wir bei recyclehero wollen immer zu 100% transparent mit euch sein. Darum erklären wir euch unter anderem so detailliert, wo die Altkleider landen, die ihr bei uns abgebt. Das machen wir unter anderm sehr detailliert auf unserem TikTok Kanal! Vielleicht wollt ihr da ja mal vorbeischauen?

@recycle.hero Replying to @✨ Sollte man Altkleider lieber bei H&M, im Altkleidercontainer oder beim Roten Kreuz abgeben? Oder doch von recyclehero abholen lassen? Wir erklären es euch in einem (nicht ganz so) kurzen Video 🥰 #altkleider #altkleidercontainer #altkleidersammlung #secondhandkleidung #circularfashionsystem ♬ Aesthetic - Gaspar

 

Solltet ihr jemals Fragen haben, schreibt uns gerne eine Email an goodnews@recyclehero.de.

 

Quellen

https://www.fashionrevolution.org/about/transparency/

https://archive.ellenmacarthurfoundation.org/assets/downloads/A-New-Textiles-Economy.pdf

https://www.bmuv.de/faq/was-ist-ein-digitaler-produktpass

https://bdi.eu/artikel/news/digitalen-produktpass-flexibel-innovativ-und-zielgerecht-gestalten

https://utopia-the-edit.ie/2023/05/17/what-do-garment-tags-really-disclose/

https://www.bmuv.de/pressemitteilung/eu-staaten-stimmen-fuer-digitalen-produktpass-und-gegen-vernichtung-von-neuwaren

https://fashionunited.uk/news/business/what-to-know-about-the-eu-s-upcoming-digital-product-passport/2023082871266