Mit diesen neuen Gesetzen greift die EU jetzt gegen Fast Fashion durch

Um bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent zu werden, entstehen gerade einige EU-Gesetze gegen Fast Fashion: Sie setzen sich unter anderem gegen Greenwashing und für mehr Transparenz in den Lieferketten der Textilindustrie ein. Wir sehen uns genauer an, welche Gesetzesänderungen in der EU anstehen, die auf mehr Kreislaufwirtschaft ausgerichtet sind, welche Auswirkungen sie (auf Unternehmen) haben und wie weit entfernt ihre Umsetzung ist.

EU-Gesetze gegen Fast Fashion: So hart greift die Kommission jetzt durch

Inhalte

Worauf zielen die neuen EU-Gesetze ab?

Wirken EU-Gesetze gegen Fast Fashion nur in der EU?

Das sind die neuen EU-Gesetze gegen Fast Fashion

Überarbeitung der Abfallrahmenrichtlinie

Extended Producer Responsibility (EPR)

Verordnung über die Verbringung von Abfällen

Ökodesignverordnung

Verbot, unverkaufte Textilien zu zerstören

Digitaler Produktpass

Womit müssen Unternehmen aufgrund neuer EU-Gesetze rechnen?

Fazit zu den EU-Gesetzen gegen Fast Fashion

 

Worauf zielen die neuen EU-Gesetze ab?

Die EU soll laut EU Green Deal bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent der Welt sein und als Vorreiter nachhaltige Entwicklungen international vorantreiben. Dadurch fokussieren sich die EU-Länder momentan insbesondere auf die Industrien, bei denen am meisten CO2-Einsparungen anfallen müssen, um das Klimaziel bis 2050 zu erreichen.

Die Zeiten der Selbstregulierung in Bezug auf Nachhaltigkeit in der Modeindustrie neigen sich weltweit dem Ende zu. Es gibt neue Vorschriften, die das Potenzial für weitreichende Auswirkungen auf Verbraucher:innen und die Modebranche haben. Das bedeutet auch: Marken und Hersteller müssen ihre bisher meist linearen Geschäftsmodelle überdenken und an die bevorstehenden Veränderungen anpassen.

Die EU-Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien befasst sich mit der Produktion und dem Verbrauch von Textilien, wobei die Bedeutung des Textilsektors erstmalig vollends in seiner klimaschädlichen Rolle anerkannt wird. Die Strategie setzt die Verpflichtungen des Green Deal um, sowie des Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft und der europäischen Industriestrategie um.

Die Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien, unter deren Mantel die aktuellen Gesetzesänderungen bzw. -entwürfe entstehen, hat folgende Ziele:

  • Alle in der EU in Verkehr gebrachten Textilerzeugnisse sind langlebig, reparierbar und recycelbar, bestehen zu einem großen Teil aus recycelten Fasern, sind frei von gefährlichen Stoffen und werden unter Beachtung der sozialen Rechte und des Umweltschutzes hergestellt.
  • Fast Fashion ist aus der Mode gekommen und Verbraucher:innen profitieren länger von qualitativ hochwertigen, erschwinglichen Textilien.
  • Rentable Wiederverwendungs- und Reparaturdienste sind weit verbreitet.
  • Der Textilsektor ist wettbewerbsfähig, widerstandsfähig und innovativ. Hersteller übernehmen die Verantwortung für ihre Produkte entlang der gesamten Wertschöpfungskette mit ausreichenden Kapazitäten für das Recycling und einem Minimum an Verbrennung und Entsorgung auf Mülldeponien.

 

Wirken EU-Gesetze gegen Fast Fashion nur in der EU?

Die neuen Gesetze stammen zwar aus der EU, haben aber meist auch Auswirkungen auf Unternehmen, die außerhalb der EU produzieren. Oft beziehen sich die Gesetze auf alle Unternehmen, die innerhalb der EU Handel betreiben wollen; also auch diejenigen, die ihre Ware in die EU importieren.

Je nach Formulierung hat eine Gesetzgebung in der EU allerdings unterschiedliche Auswirkungen auf die Mitgliedsstaaten: Während eine Vorschrift oder Verordnung ("regulation") verpflichtend ist und für die gesamte EU gilt, ist eine Richtlinie ("directive") ein Rechtsakt, der ein Ziel vorgibt, das alle EU-Länder erreichen müssen; es ist jedoch die Aufgabe der einzelnen Länder, ihre eigenen Gesetze zu erlassen, um diese Ziele zu erreichen. Hier lohnt es sich also, genau hinzusehen, um die Auswirkung aufs eigene Unternehmen bzw. die Textilindustrie als ganzes genauer einzuschätzen.

 

Das sind die neuen EU-Gesetze gegen Fast Fashion

EU-Gesetze gegen Fast Fashion: Das wird sich in der Produktion verändern

 

Überarbeitung der Abfallrahmenrichtlinie

Im Jahr 2023 wurde die Abfallrahmenrichtlinie mit einem starken Fokus auf Textilien grundlegend überarbeitet. Durch die Überarbeitung sind EU-Mitgliedstaaten u.a. dazu verpflichtet, Textilien bis zum 1. Januar 2025 getrennt zu sammeln – denn nicht in jedem Land ist die Infrastruktur von Altkleider-Sammellösungen wie Containern so gut ausgebaut wie in Deutschland. Tatsächlich landen in der EU momentan noch fast zwei Drittel aller Textilien im Hausmüll.

Es sollen also neue Kapazitäten und eine neue Infrastruktur für die getrennte Sammlung, Sortierung, Wiederverwendung und Recycling von Altkleidern in der EU entstehen. Dabei setzt die EU v.a. in die Entwicklung neuer Technologien, z.B. in die Faser-zu-Faser-Verwertung oder die maschinelle Sortierung von Altkleidern durch Infrarot. Weitere Teile der überarbeiteten Abfallrahmenrichtlinie sind außerdem die Erweiterte Herstellerverantwortung und die Verordnung über die Verbringung von Abfällen, auf die wir im Folgenden genauer eingehen wollen.

 

Extended Producer Responsibility (EPR)

Textilunternehmen sollen in der EU anhand der Erweiterten Herstellerverantwortung (EPR) bald Verantwortung entlang der gesamten Wertschöpfungskette ihrer Produkte übernehmen. Dadurch sollen weniger Textilabfälle entstehen, indem Kleidung eher wieder verkauft oder recycelt wird, statt sie zu entsorgen, verbrennen oder exportieren.

Zur Erweiterten Herstellerverantwortung haben wir einen ausführlichen Artikel auf unserem Blog: Erweiterte Herstellerverantwortung (EPR): Die neue EU-Richtlinie für Textilien

 

Verordnung über die Verbringung von Abfällen

EU-Gesetz gegen Fast Fashion: Veränderung der Abfallrahmenrichtlinie

Mit der Umsetzung dieser Verordnung übernimmt die EU mehr Verantwortung für ihren Abfall und stellt sicher, dass ihre Umweltprobleme nicht in Drittländer exportiert werden. So könnte die Ausfuhr von Kunststoffabfällen aus der EU in Nicht-OECD-Länder verboten werden. Gleichzeitig wird die Verarbeitung von Abfällen zum Recycling innerhalb der EU durch moderne digitalisierte Verfahren erleichtert. Seit 2021 ist die Verordnung von der Kommission vorgeschlagen, im Januar 2024 wurde ein Ausschreibungsverfahren in die Wege geleitet, das einen Rahmen zur Unterstützung der Kommission bietet und die Durchführung beschleunigt.

Da ein beachtlicher Teil von in der EU gesammelten Altkleidern in den Globalen Süden exportiert wird, spielt diese Verordnung auch für Textilien eine große Rolle und soll dafür sorgen, dass Textilabfälle nur dann exportiert werden, wenn gewährleistet ist, dass die Abfälle umweltverträglich behandelt werden. Wenn du mehr über Textilexporte erfahren möchtest und wissen willst, wie sie sich auf Menschen, Umwelt und Wirtschaft in den Importländern auswirken, lies dir gerne folgenden Blogartikel durch: Nach dem Container ist vor dem Export: Wo landen unsere Altkleider?

 

Ökodesignverordnung

Die Ökodesignverordnung schafft einen Rahmen für die Festlegung von Ökodesign-Anforderungen für bestimmte Produktgruppen, um deren Kreislauffähigkeit, Energieeffizienz und andere Aspekte der ökologischen Nachhaltigkeit zu verbessern. Die betroffenen Unternehmen müssen außerdem einen digitalen Produktpass vorlegen, der Informationen über die Umweltverträglichkeit des Produkts enthält. Nicht nur Hersteller, sondern auch Importeure, Vertriebsunternehmen und Händler müssen diesen Anforderungen gerecht werden.

Diese Gesetzgebung könnte vor allem deswegen eine enorme Auswirkung haben, weil ungefähr 70% des CO2-Fußabdrucks eines Kleidungsstück bereits durch die Rohstoffgewinnung und Produktion festgelegt sind. Wenn Hersteller also von Anfang an darauf achten, ein Produkt kreislauffähig zu konzipieren, werden viele weitere Schritte in der Nutzung und der Entsorgung von Textilien erleichtert, weil das Kleidungsstück langlebiger, reparierbarer und recyclingfähiger ist und sich insgesamt schlicht besser für die Kreislaufwirtschaft eignet. Während sich die Kommission in einer Übergangsphase bis nächstes Jahr noch auf energiebezogene Produkte fokussiert, sollen Textilien danach gezielt angegangen werden. 

Das EU-Parlament und der EU-Rat müssen die neue Verordnung nun förmlich annehmen. Ein Timing hierzu steht noch aus. Teil der Ökodesignverordnung sind u.a. das Verbot unverkaufte Kleidung zu zerstören und der Digitale Produktpass, mit denen wir uns jetzt beschäftigen wollen.

 

Verbot, unverkaufte Textilien zu zerstören

Als Teil der Ökodesign-Verordnung haben sich Mitgliedsstaaten und Unterhändler des EU-Parlaments vorläufig darauf geeinigt, dass größere Händler bald unverkaufte Textilien in der EU nicht mehr vernichten dürfen. Unverkaufte Textilien beziehen sich dabei vor allem auf fabrikneue Kleidung, die entweder nie gekauft bzw. bestellt wurde, oder nach einem Kauf als Retoure zurück an die Unternehmen ging.

Auch zu diesem Verbot haben wir einen tiefergehenden Blogartikel: Die EU will die Vernichtung unverkaufter Kleidung verbieten

 

Digitaler Produktpass

Der sogenannte Digitale Produktpass soll Informationen über die ökologische Nachhaltigkeit von Produkten liefern. Diese Informationen werden durch Einscannen eines Datenträgers leicht zugänglich sein und Attribute wie die Haltbarkeit und Reparierbarkeit, den Recyclinganteil oder die Verfügbarkeit von Ersatzteilen eines Produkts enthalten. Er soll Verbraucher:innen helfen, beim Kauf von Produkten fundierte Entscheidungen zu treffen, Reparaturen und Recycling zu erleichtern und die Transparenz über die Auswirkungen von Produkten auf die Umwelt während ihres Lebenszyklus zu verbessern.

Auf unserem Blog gibt es einen Artikel zum Digitalen Produktpass, der nochmal genauer auf einzelne Fragen eingeht: Digitaler Produktpass für transparente Lieferketten

 

Womit müssen Unternehmen aufgrund neuer EU-Gesetze rechnen?

EU-Gesetze gegen Fast Fashion: Was kommt auf Unternehmen zu?

Natürlich unterscheiden sich die konkreten Action Points je nach Gesetzesänderung und Unternehmensgröße. Prinzipiell gibt es aber ein paar Veränderungen, die sich wohl auf die meisten Unternehmen verallgemeinern lassen:

  • Mehr Nachweise über ihre Lieferketten – diesbezüglich bleibt es auch abzuwarten, wie sich die aktuellen Diskussionen um das EU-Lieferkettengesetz entwickeln, die letzten Freitag (9. Februar 2024) auf Bedenken der FDP hin verschoben wurden
  • Mehr Meldepflichten und Datenanforderungen
  • Unterschiedliche Auslegung innerhalb unterschiedlicher EU-Länder und potenzielle Verschärfungen nach dem Prinzip der Ökomodulation (je nach Umweltbelastung könnten verschiedene Länder bzw. Unternehmen stärker zur Rechenschaft gezogen werden)
  • Erhöhte Erwartung an Zulieferer und Produzenten, dass sie Sorgfaltsprozesse einführen, um soziale und ökologische Auswirkungen zu erkennen, zu verhindern, zu beheben und darüber zu berichten
  • Besondere Aufmerksamkeit auf Details wie Nähte und Säume und erhöhte Kreativität beim Entwurf für Designer:innen; außerdem sollten Materialien vermieden werden, die beim Recycling nicht voneinander getrennt werden können; also Mischfasern so gut es geht zu vermeiden

 

Fazit zu den EU-Gesetzen gegen Fast Fashion

Dieser Artikel sollte keinesfalls als ganzheitliche Zusammenfassung aller Gesetzesänderungen angesehen werden, die momentan in der EU anstehen. Zum Beispiel haben wir Verordnungen und Richtlinien über Greenwashing (bspw. Green Claims Directive) an dieser Stelle nicht berücksichtigt, da wir uns hauptsächlich mit denjenigen Gesetzesänderungen auseinandersetzen, die auf Bemühungen in Richtung Kreislaufwirtschaft ausgerichtet sind.

Während die meisten Verordnungen bzw. Richtlinien noch in Arbeit sind und das Timing ihrer Umsetzung unklar bleibt, sollten Unternehmen die aktuelle Übergangszeit nutzen, um Fortschritte zu erzielen. Die Fähigkeit, sich neuen regulatorischen Anforderungen anzupassen, ist ein entscheidender Faktor, den viele Unternehmen noch entwickeln müssen. Allerdings lohnt es sich als Unternehmen nicht nur, auf regulatorische Änderungen zu reagieren, sondern sie auch als Chance für einen erheblichen Wettbewerbsvorteil zu betrachten. Kund:innen interagieren am ehesten mit Marken, die proaktiv agieren und frühzeitig zukunftsfähige Geschäftsmodelle entwickeln. Es liegt an jedem Unternehmen, diese Chance zu nutzen und sich frühzeitig anzupassen.

 

Quellen

https://www.transformersfoundation.org/an-apparel-suppliers-guide-key-sustainability-legislations-in-the-eu-us-and-uk

https://www.businessoffashion.com/reports/news-analysis/the-state-of-fashion-2024-report-bof-mckinsey/

https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/ip_23_5818 

https://circulareconomy.europa.eu/platform/sites/default/files/2023-02/LCA-based%20assessment%20of%20the%20management%20of%20European%20used%20textiles_corrected.pdf

https://environment.ec.europa.eu/topics/waste-and-recycling/waste-framework-directive_en

https://commission.europa.eu/energy-climate-change-environment/standards-tools-and-labels/products-labelling-rules-and-requirements/sustainable-products/ecodesign-sustainable-products-regulation_en

https://www.textilwirtschaft.de/business/news/einigung-wurde-spontan-verschoben-vorerst-keine-mehrheit-fuer-eu-lieferkettengesetz-in-sicht-243801