Was können wir gegen die Überproduktion von Fast Fashion tun?
Altkleider
Impact
Kreislaufwirtschaft
Hannah
17.01.2024
Wir sprechen viel darüber, wie wir Altkleider durch Resale, Reuse oder Recycling am sinnvollsten wiederverwenden können. Dabei ist uns bewusst, dass die eigentliche Menge der Kleidung, die als Altkleider endet, schon viel früher reduziert werden muss: in der Produktion. Fast Fashion Unternehmen produzieren weiterhin viel zu viel Produkte von minderwertiger Qualität, die früher oder später auf Mülldeponien landen werden. Deswegen blicken wir heute genauer auf die Überproduktion von Fast Fashion.
Inhalte
Der größte Impact eines Kleidungsstücks liegt in der Produktion
Wie entwickeln sich Konsumverhalten und Produktion?
Rücknahmesysteme für Altkleider in Unternehmen
Forderung nach mehr Transparenz im Bezug auf Überproduktion
Ausweg aus der Überproduktion?
Der größte Impact eines Kleidungsstücks liegt in der Produktion
Während wir uns bei recyclehero auf die sinnvolle Verwertung von Textilien nach ihrem üblichen Gebrauch kümmern, steht fest, dass bis zu 80% der Umweltauswirkungen eines Produkts bereits vor ihrem Gebrauch, nämlich in der Entwurfsphase festgelegt werden und in Materialien und Farbstoffe eingebettet sind. Obwohl diese Phase natürlich zeitlich gesehen die kürzeste ist, wird hier bestimmt, aus welchen Ressourcen das Produkt besteht, wie langlebig und wie kreislauffähig das Produkt ist, und welche Inhaltsstoffe (u.U. Schadstoffe) ein Produkt enthält. Dieser hohe Einfluss der Produktionsphase sieht vor dem Hintergrund der billigen und menschenverachtenden Produktionsweise von Fast Fashion noch düsterer aus.
Die Überproduktion von Fast Fashion, der damit verbundene hohe Konsum und das hohe Aufkommen von Textilmüll stellen wachsende Herausforderungen dar, die durch das lineare Modell "Take, Make, Waste" Modell der globalen Modeindustrie verursacht werden. Die billige Mode wird von Ultra Fast Fashion Brands wie Shein oder Temu bereits von Anfang an als Wegwerfware vermarktet: Klamotten für zwei Euro, 52 Mikrokollektionen pro Jahr, tausende neue Produktneuheiten pro Tag. Kein Wunder, dass ein Großteil der Menschen Kleidung als minderwertig wahrnimmt.
Wie entwickeln sich Konsumverhalten und Produktion?
Eine Reduktion des Konsums ist tatsächlich nicht in Aussicht: Die weltweite Bekleidungsproduktion wird Prognosen zufolge bis 2030 um 63 % steigen. Steigender Konsum wäre allein betrachtet schon traurig genug, doch das Problem geht noch weiter: Zählt man die selten bis gar nicht getragenen Kleidungsstücke in deutschen Kleiderschränken zusammen, kommt man auf zwei Milliarden Kleidungsstücke (knapp 40% der Kleiderschränke), die nahezu ungenutzt nur für den Schrank produziert wurden. Spätestens nach drei Jahren werden laut Greenpeace mehr als die Hälfte der Oberteile, Hosen und Schuhe aussortiert. Kurzlebigkeit dominiert also unsere Kleiderschränke und führt dazu, dass Kleidung immer schneller zu Altkleidern wird.
Was die Produktion angeht, sieht es nicht besser aus: Nur 12% aller Modeunternehmen geben laut Fashion Revolution die Gesamtmenge der Produkte an, die sie jährlich herstellen. Genauso geben nur 12% derselben untersuchten Marken die Menge der jährlich vernichteten Artikel an. Marken müssen natürlich wissen, wie viel sie produzieren; denn welches Unternehmen kann ohne diese Information überleben? Der anhaltende Mangel an Transparenz über das Produktionsvolumen großer Modeunternehmen wirft die Frage auf: Was wird verheimlicht?
Neben der Anzahl der produzierten Kleidungsstücke innerhalb eines Unternehmens wäre es mindestens genauso aufschlussreich zu erfahren, wie hoch der Anteil unverkaufter Ware ist und was mit diesen Textilien passiert. Laut Fashion Revolution veröffentlichen nur 4 % der Marken die Menge der im jährlichen Berichtszeitraum anfallenden Textilabfälle vor der Produktion. Meist sind hierbei Schnittreste und übrig bleibende Stofffetzen gemeint, die während der Produktion entstehen – allerdings stellen wir einen Mangel an Standardisierung fest, wenn es darum geht, wie große Marken Abfall definieren und diese Informationen offenlegen. Fest steht, dass der Anteil unverkaufter (intakter) Textilien weitaus höher ist als 4%.
Rücknahmesysteme für Altkleider in Unternehmen
Da Unternehmen immer mehr in die Verantwortung für die Entsorgung ihrer Textilien gezogen werden – und da sie trotz ihrer umweltschädlicher Produktionsweise Kund:innen mit erhöhtem Umweltbewusstsein an sich binden wollen – bieten immer mehr Marken Rücknahmesysteme für Alttextilien an. Der Klassiker: Altkleider (egal von welchen Marken) zum Beispiel bei H&M abgeben und dafür einen 10% Shopping-Gutschein für Neuware erhalten. Wo die Altkleider landen? Jüngste Aktionen von Enthüllungsjournalist:innen, die Air Tags an Altkleider befestigten, die im Rahmen von Rücknahmesystemen großer Marken gespendet wurden, bestätigen, was schon lange vermutet wurde: Zurückgenommene Kleidung wird häufig im Globalen Süden entsorgt.
Die Marken geben nach wie vor zu wenig Informationen darüber preis, wo die Kleidung tatsächlich landet, und verschleiern damit, wer für die Textilien verantwortlich ist. Auch eine Untersuchung von Fashion Revolution kann diese Tatsache bestätigen: Während 37 % der untersuchten Marken und Einzelhändler Rücknahmesysteme für alte Kleidung anbieten, legen nur 28% Marken offen, was tatsächlich mit den erhaltenen Kleidungsstücken geschieht.
Große Marken und Einzelhändler geben also nach wie vor mehr Informationen über die von ihnen entwickelten Kreislauflösungen preis (und auch das nur bedingt) als über die tatsächlich produzierten Abfallmengen. Es ist unbestreitbar, dass Lösungen wie Rücknahmesysteme für Altkleider unbedingt von sinnvollen Maßnahmen begleitet werden müssen, die darauf abzielen, die Menge neu produzierter Ware zu reduzieren und so das Problem an der Wurzel zu bekämpfen.
Die Kleidung bleibt durch Rücknahmeprogramme zwar länger im Umlauf anstatt direkt entsorgt zu werden, aber wenn man daran denkt, dass Kund:innen nach erfolgter Altkleiderspende bei vielen Unternehmen einen Gutschein für den Kauf von Neuware erhalten, könnten Rücknahmesysteme bei großen Marken die Überproduktion neuer Ware sogar noch befeuern. Wenn Konsument:innen wissen, dass sie ein Kleidungsstück nach nur wenigen Malen Tragen im selben Shop wieder loswerden können und das Gefühl haben, sie tun dabei etwas sinnvolles, sinkt möglicherweise die Hürde für den Kauf neu produzierter Ware.
Forderung nach mehr Transparenz im Bezug auf Überproduktion
Es wird schnell deutlich: Besonders in der Menge der Produktion und der Ware, die unverkauft entsorgt wird, braucht es mehr Transparenz. Aktuell werden in der EU einige Gesetze vorgeschlagen, die hier verhelfen sollen:
- Die Erweiterte Herstellerverantwortung (EPR) könnte es ab 2025 Unternehmen dazu verpflichten, dass sie sowohl die Menge der produzierten, als auch die der entsorgten Kleidungsstücke veröffentlichen müssen. Bei Verstößen ist mit Sanktionen zu rechnen, die aktuell noch nicht feststehen, sich aber voraussichtlich je nach der Umweltbelastung der entsorgten Textilien berechnen werden.
- Das Verbot, unverkaufte Textilien zu zerstören, soll voraussichtlich ab 2025 eingeführt werden. Während die Regelung für große Unternehmen schon in zwei Jahren gelten soll, bekommen mittelgroße Unternehmen eine Übergangsfrist von sechs Jahren. Auch hier ist bei Verstößen mit Sanktionen zu rechnen.
Ausweg aus der Überproduktion?
Angesichts der Überproduktion und des enormen Konsums führt kein Weg daran vorbei, die Produktionszyklen zu verlangsamen und Kleidung langlebiger zu produzieren. Sinnvolle Lösungen für die Verwertung von Altkleidern können auf lange Sicht nur dann sinnvoll sein, wenn neu produzierte Ware verringert wird – denn ansonsten werden Kreisläufe nur erweitert, was ihre Daseinsberechtigung, Logik und auch Effizienz von vornherein untergräbt.
Zirkuläre Geschäftsmodelle sollen nicht nur Schäden begleichen, die durch die lineare Wirtschaft entstanden sind, sondern sie können auch zu einer Kreislaufwirtschaft beitragen, in der Umsatz nicht mehr von der Neuproduktion und der Nutzung neuer Ressourcen abhängig ist.
Zirkuläre Geschäftsmodelle sollen nicht nur Schäden begleichen, die durch die lineare Wirtschaft entstanden sind, sondern sie können auch zu einer Kreislaufwirtschaft beitragen, in der Umsatz nicht mehr von der Neuproduktion und der Nutzung neuer Ressourcen abhängig ist. Hier gilt es für Unternehmen umzulernen und Geschäftsmodelle so entwerfen, dass auch mit bereits bestehenden Rohstoffen Umsätze generiert werden können.
An dieser Stelle wollen wir auch nochmal die Wichtigkeit von Organisationen wie der Ellen McArthur Foundation oder Fashion Revolution hervorheben, die mit ihren jährlichen Reports wie dem Fashion Transparency Index (FTI), den wir in diesem Beitrag oft zitiert haben, auch große Unternehmen in die Verantwortung ziehen. Man kann bereits seit der Existenz des FTI eine deutliche positive Veränderung bei den teilnehmenden Unternehmen erkennen. Weiter so!
Quellen
https://emf.thirdlight.com/file/24/Om5sTEKOmm-fEeVOm7xNOmq6S2k/Circular%20business%20models.pdf
https://www.greenpeace.de/sites/default/files/publications/20151123_greenpeace_modekonsum_flyer.pdf