EU-Lieferkettengesetz: Der aktuelle Stand
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Hannah
27.05.2024
Inhalte
EU-Lieferkettengesetz: Was bisher geschah
Unterschiede im Lieferkettengesetz der EU und Deutschland
Womit müssen Unternehmen rechnen?
Bleiben Ultra-Fast-Fashion Unternehmen womöglich verschont?
Kritik zum EU-Lieferkettengesetz
EU-Lieferkettengesetz: Was bisher geschah
Nach viel Hin und Her wurde die EU-Wertschöpfungskettenrichtlinie bzw. Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), am 24. Mai 2024 verabschiedet. Ab 2028 sind davon Unternehmen ab 5.000 Mitarbeitenden betroffen und müssen ihre Lieferkette auf menschenrechtliche Risiken überprüfen. Die CSDDD wurde vom Wettbewerbsfähigkeitsrat in Brüssel förmlich angenommen, sodass der Gesetzestext jetzt nur noch im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden muss. Das offizielle Gesetzgebungsverfahren ist damit abgeschlossen.
Anfangs war die Verabschiedung des Gesetzes unklar, da sich einige Parteien, allen voran die FDP, quergestellt und behauptet hatten, das Lieferkettengesetz würde sich zu negativ auf die Wirtschaft auswirken. Deutschland hat sich also aufgrund der Sorge vor steigender Bürokratie und negativen Wirtschaftsauswirkungen enthalten. Trotzdem konnte eine Mehrheit im EU-Parlament erreicht werden.
Vielen ist vermutlich immer noch nicht ganz klar, inwiefern das EU-Lieferkettengesetz sich auf das bereits bestehende deutsche Gesetz auswirken wird bzw. die Richtlinie noch strenger sein wird. Wir blicken also darauf, was das CSDDD beinhaltet, wann eine Umsetzung realistisch ist und womit Unternehmen rechnen müssen.
Unterschiede im Lieferkettengesetz der EU und Deutschland
Nach Verabschieden des Gesetzes wird EU-Mitgliedstaaten eine Frist von zwei Jahren gewährt, um die Beschlüsse auf EU-Ebene auf ihre eigenen Länder zu übertragen. Deutschland hat bereits seit 2021 ein Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz; Expert:innen rechnen aber bereits jetzt mit Anpassungen auf nationaler Ebene.
Betroffene können sich über ein zugängliches Beschwerdeverfahren bei den Behörden melden und mögliche Verletzungen der Sorgfaltspflichten angeben. Was die zivilrechtliche Haftung der Unternehmen angeht, ist das EU-Gesetz strenger als die deutsche Variante: Unternehmen müssen sich bei eindeutig nachweisbaren Menschenrechtsverletzungen entlang der Lieferkette vor dem EU-Gericht beweisen und im Zweifelsfall Schadensersatz an Betroffene zahlen. Geldstrafen können bis zu 5% des weltweiten Nettoumsatzes eines Unternehmens betragen.
Auf der anderen Seite bezieht sich das EU-Gesetz auf weniger Unternehmen als das deutsche, da der Schwellenwert für Mitarbeitende in einem betroffenen Unternehmen auf EU-Ebene höher ist (dazu gleich mehr). Allerdings wird sich das EU-Gesetz und zugehörige Verschärfungen stark auf Risikosektoren fokussieren, in denen die meisten Menschenrechtsverletzungen entlang internationaler Lieferketten vermutet werden können. Überraschenderweise gehört die Textilindustrie nicht dazu, wodurch es keine strengeren Auflagen für sie gibt.
Womit müssen Unternehmen rechnen?
Die jetzt beschlossene CSDDD wird nach einer Übergangsphase von drei Jahren zunächst nur für Firmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten und mehr als 1,5 Mrd. Euro Umsatz weltweit gelten. Nach vier Jahren sinken diese Grenzen auf 4.000 Mitarbeitende und 900 Mio. Umsatz. Fünf Jahre nach Inkrafttreten wird die Richtlinie dann auch Firmen mit 1.000 Beschäftigten und 450 Mio. Euro Umsatz gelten.
Die Umsetzung findet also stufenweise statt und ermöglicht es kleineren und mittelständischen Unternehmen, sich auf die bevorstehenden Änderungen vorzubereiten. Die Übergangsphase für viele Unternehmen ist vermutlich auch auf die FDP-Proteste zurückzuführen, die einige Aspekte in der Gesetzgebung deutlich abgeschwächt haben.
Um Unternehmen in der Vorbereitung auf das EU-Lieferkettengesetz optimal vorzubereiten, bietet das Bundesministerium ein sogenanntes Helpdesk an, an das sich Unternehmen bei fragen oder Schwierigkeiten wenden können. Bei Anfragen zum CSDDD können sich Unternehmen auch an das EU-Helpdesk wenden, wenn sie Fragen haben, wie sich die bevorstehenden Änderungen auf Zulieferer im Globalen Süden auswirken.
"Lachende Dritte sind asiatische Billigplattformen, die scheinbar alles machen können, was sie wollen."
Bleiben Ultra-Fast-Fashion Unternehmen womöglich verschont?
Der Verband texil+mode kritisiert die neue EU-Richtlinie als "völlig überzogen", macht aber in einem weiteren Schritt darauf aufmerksam, dass Temu, Shein und Co. als Gewinner des CSDDD gelten: "Gerade Mittelständler und verantwortungsbewusst agierende Unternehmen immer mehr zu fesseln, wird uns keinen Schritt in Richtung einer nachhaltigen Zukunft weiterbringen. Im Gegenteil: Lachende Dritte sind asiatische Billigplattformen, die scheinbar alles machen können, was sie wollen".
Das ist vor allem darauf zurückzuführen, dass Online Shops nicht im Gesetz inbegriffen sind. Es bleibt also abzuwarten, ob sich die Richtlinie auf nationaler Ebene nochmal verschärfen wird. Weiterhin gibt es andere Überlegungen, die Auswirkungen auf den Import von Billigware in die EU haben könnten; zum Beispiel durch die Neuordnung von Import-Regelungen, die diskutiert, ob Zollfreibeträge von 150€, von denen aktuell vor allem importierende Unternehmen wie Shein und Temu profitieren, abgeschafft werden.
Kritik zum EU-Lieferkettengesetz
Kritiker:innen, wie etwa von der Initiative Lieferkettengesetz, bemängeln, dass das Gesetz nicht streng genug sei, vor allem im Hinblick auf das Fehlen von klimabezogenen Sorgfaltspflichten: "Es ist überhaupt nicht nachvollziehbar, dass Unternehmen, die ihre Klimapläne nicht umsetzen, zumindest nicht ausdrücklich sanktioniert werden können." Auch wir hätten uns gewünscht, dass das Gesetz nicht nur menschenrechtliche, sondern auch umweltbezogene Verletzungen entlang der Lieferkette berücksichtigt und für mehr Transparenz entlang globaler Lieferketten sorgt.
Insgesamt wird auf der einen Seite kritisiert, wie sehr die CSDDD in den letzten Monaten unter anderem durch die FDP-Initiative abgeschwächt wurde, auf der anderen Seite beklagen Unternehmen, dass sich das Gesetz negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands auswirken wird. Es sollte in der Umsetzung auf nationaler Ebene noch mehr darauf fokussiert werden, dass internationale Unternehmen und Online-Shops zur Rechenschaft gezogen werden. Insgesamt ist das EU-Lieferkettengesetz natürlich ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, es braucht aber weiterhin Bemühungen auf nationaler Ebene, die sich auf diejenigen Unternehmen auswirken, die den größten Schaden anrichten.