Die EU will die Vernichtung unverkaufter Kleidung verbieten
Altkleider
Kreislaufwirtschaft
Hannah
16.12.2023
Die EU geht momentan hart gegen Fast Fashion und dessen Auswirkungen vor: Unternehmen müssen mehr Verantwortung für die Entsorgung ihrer Produkte übernehmen, es wird nach mehr Transparenz in den Lieferketten gefordert und Textilien sollen von Vornherein langlebiger designt werden. Jetzt verbietet die EU auch die Vernichtung unverkaufter Kleidung – möglicherweise ein großer Schritt! Was genau der Beschluss für Unternehmen bedeutet und was dem noch im Weg stehen könnte erfahrt ihr in diesem Artikel.
Was beinhaltet das Verbot?
Als Teil der Ökodesign-Verordnung haben sich Mitgliedsstaaten und Unterhändler des EU-Parlaments vorläufig darauf geeinigt, dass größere Händler bald unverkaufte Textilien in der EU nicht mehr vernichten dürfen. Unverkaufte Textilien beziehen sich dabei vor allem auf fabrikneue Kleidung, die entweder nie gekauft bzw. bestellt wurde, oder nach einem Kauf als Retoure zurück an die Unternehmen ging. In Deutschland sind das laut Marktforschungsinstitut Euromonitor International jährlich 230 Millionen Textilien (Stand 2019), die bisher potentiell vernichtet werden könnten.
Europäer:innen kaufen im Schnitt pro Kopf jährlich 26 Kilogramm Textilien und werfen elf Kilogramm pro Jahr weg. Zwar wird über herkömmliche Entsorgungswege wie den Altkleidercontainer ein großer Teil in den Globalen Süden exportiert, aber es landet auch immer noch ein erstaunlich hoher Anteil im Restmüll: In der EU werden momentan circa zwei Drittel aller Altkleider im Restmüll entsorgt, was dazu führt, dass laut Europäischer Kommission ungefähr 87% der Altkleider verbrannt werden oder auf Deponien landen.
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Diese hohe Zahl an zerstörten Textilien ist allerdings nicht nur auf Post-Consumer-Textilien zurückzuführen (also auf Altkleider im klassischen Sinn, die Endkonsument:innen aussortieren und wegwerfen). Das neue EU-Verbot setzt vor allem bei den Textilien an, die von Unternehmen entsorgt werden, bevor sie jemals in den Händen eines/einer Kund:in waren (sogenannte Pre-Consumer-Textilien). Denn es ist mittlerweile leider kein Geheimnis mehr, dass viele Unternehmen unverkaufte Ware (z.B. Retouren nach Onlinebestellungen) zerstören – schlicht, weil es billiger ist als jeder andere Verwertungsweg. Genau hier sieht das EU-Verbot zur Vernichtung unverkaufter Textilien Verbesserungspotenzial: Die Zerstörung von ungenutzter aber perfekt intakter Kleidung soll für Unternehmen mit erheblichen Sanktionen verbunden sein und in Zukunft nicht mehr Gang und gäbe sein.
Was passiert bei Verstößen?
Vermutlich müssen Unternehmen in erster Linie mit Geldstrafen rechnen, aber die Details des EU-Verbots warten noch auf Festlegung. Eines steht allerdings fest: Das Verbot kann nur greifen, wenn Unternehmen für die Nichteinhaltung der Richtlinie angemessen sanktioniert werden. Zusätzlich ist es wichtig, dass die Sanktionen einen hohen Wirkungsgrad haben, und nicht einfach ein Dorn im Auge der oft milliardenschweren Fast-Fashion-Unternehmen ist, denn sie missbilligend hinnehmen. Laut aktuellem Stand werden die Mitgliedstaaten selbst über Sanktionen entscheiden dürfen. Außerdem bleibt abzuwarten, ob das Verbot auch auf andere Produktkategorien ausgeweitet wird (zum Beispiel Möbel, Reifen, Waschmittel, Farben, Chemikalien usw.).
Welche Textilien und Unternehmen betrifft das Verbot?
Noch ist nicht ganz klar, ob das Verbot der Vernichtung unverkaufter Kleidung nur Unternehmen mit EU-Sitz betrifft, oder ob es auch für Händler gilt, die ihre Ware in die EU importieren wollen. Es bleibt aber zu hoffen, dass die Tragweite des Verbots über die EU hinaus geht, da die Produktvorgaben der Ökodesign-Verordnung (zu dem auch dieses Verbot gehört) nicht nur für EU-Hersteller gelten, sondern auch für Importe.
Die European Fashion Alliance, eine Organisation die sich auf Europaebene um den Wandel der europäischen Mode hin zu einer nachhaltigeren, innovativeren, inklusiveren und kreativeren Zukunft einsetzt, sieht als “unverkaufte Kleidung” vor allem diejenige Kleidung, die noch in optimalem Zustand ist, also zum Beispiel keine Flecken oder Löcher hat, sondern wirklich fabrikneu ist und ohne Einwände wiederverwendet werden kann. Doch auch für unverkaufte Ware, die Mängel aufweist, sollten Gesetzgeber sowie Unternehmen schnellstmöglich einen sinnvollen Verwertungsweg finden und in neue Technologien wie zum Beispiel Faser-zu-Faser-Recycling investieren.
Wann wird es umgesetzt und wie wahrscheinlich ist die Umsetzung?
Obwohl Parlament und die EU-Staaten der Einigung noch offiziell zustimmen müssen, sind Befürworter:innen des Verbots zuversichtlich. Diese offizielle Zustimmung sei scheinbar eher Formsache. Während die Regelung für große Unternehmen schon in zwei Jahren gelten soll, bekommen mittelgroße Unternehmen eine Übergangsfrist von sechs Jahren. Kleine Unternehmen sind von der Regelung laut aktuellem Stand sogar ganz ausgenommen.
Wenn man mit kritischem Auge darauf blickt, könnten das Faktoren sein, die Schlupflöcher des EU-Verbots begünstigen. Außerdem bleibt abzuwarten, ob der bisher noch nicht veröffentlichte Gesetzestext nicht ohnehin Lücken enthält, die sich große Unternehmen zunutze machen werden. Denn auch in der Vergangenheit hat die Modeindustrie leider bewiesen, dass das üblich ist.
Das EU-Verbot zur Vernichtung unverkaufter Kleidung kann vor allem dann einen essentiellen Beitrag leisten, das Abfallaufkommen von Textilien massiv zu minimieren, wenn es mit sinnvollen, unkomplizierten Angeboten zur getrennten Sammlung von Altkleidern kombiniert wird, sodass diese nicht mehr im Restmüll landen. Außerdem sollte die EU weiterhin gesteigerten Wert darauf legen, den Bildungsauftrag in dem Bereich ernstzunehmen. Denn wir wissen alle immer noch viel zu wenig Bescheid über die enormen Auswirkungen von Textilien – und das obwohl Kleidung ein essenzieller Bestandteil unseres täglichen Lebens ist.
Zuletzt bleibt nur zu hoffen, dass Fast-Fashion-Unternehmen sich dieses Verbot nicht zunutze machen und ihre unverkauften Textilien unter dem Vorwand von Reuse oder Recycling in den Globalen Süden exportieren, wo sie letztendlich nur ihre Verantwortung auslagern und der Umwelt weiterhin genauso schaden. Darum ist es aus unserer Sicht enorm wichtig, dass das EU-Verbot zum Vernichten unverkaufter Kleidung von anderen sinnvollen Maßnahmen begleitet wird, die eine Lösung dafür finden, was mit dieser neu entstehenden Masse an Textilien passiert. Beispielsweise sollten weiterhin Investitionen in den technischen Fortschritt beim Faser-zu-Faser-Recycling fließen; und auch auf Upcycling und sinnvolle, regionale Reuse-Kreisläufe sollte weiterhin ein starker Fokus liegen.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/eu-kleidung-vernichtung-verbot-1.6314321
https://www.vogue.de/artikel/eu-richtlinie-unverkaufte-kleidung-muell-entsorgen