Kann Textilrecycling unser Altkleiderproblem lösen? Im Gespräch mit Startup eeden

Wir kaufen immer mehr Kleidung und tragen sie immer kürzer. Gleichzeitig wird die Qualität von Textilien immer schlechter, denn sie sind nicht mehr dazu designt, langlebig zu sein; sie müssen nur den nächsten Trend zu überleben. Dadurch eignet sich Fast Fashion leider auch immer öfter nicht für den Wiederverkauf. Aber was ist die Alternative, wenn die Kleidung doch so lange wie möglich im Kreislauf bleiben soll? Wir sprechen mit dem Textilrecycling-Startup eeden über die Qualität von Kleidung, Innovationen im Faser-zu-Faser-Recycling und vor welchen Meilensteinen sie aktuell stehen.

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Laut Bundesumweltministerium kaufen deutsche Verbraucher:innen 60 neue Kleidungsstücke im Jahr. Das ist mehr als ein neues Kleidungsstück pro Woche. Hinzu kommt, dass jedes fünfte Kleidungsstück so gut wie nie getragen wird. Ein Abwärtstrend ist nicht zu erkennen – im Gegenteil: Die globale Textilproduktion steigt immer weiter an und versucht der Nachfrage nach kurzlebiger Mode basierend auf den neuesten Trends gerecht zu werden. Aber was passiert mit der Kleidung, wenn sie "out" ist oder bereits nach wenigen Malen Tragen Qualitätsmängel aufweist? Sie wird aussortiert. Im Schnitt nach viermal Tragen.

Wenn ein Kleidungsstück erst mal aussortiert ist, gibt es in der Kreislaufwirtschaft verschiedene Ansätze, dieses wiederzuverwenden. Nach der Abfallhierarchie sind diese Ansätze hierarchisch zu verstehen: Erst nachdem versucht wird, Abfall zu vermeiden und das Kleidungsstück in seiner originalen Form wiederzuverwenden (bzw. zu verkaufen/spenden), sollte an Recycling gedacht werden. Denn Recycling wendet Ressourcen auf, um den Zustand des Kleidungsstücks zu verändern.

Tatsache ist aber, dass sich Fast Fashion aufgrund seiner minderwertigen Qualität immer weniger für den Wiederverkauf bzw. die Wiederverwendung eignet. Die Secondhand-Plattform Vestiaire Collective hat sich aus dem Grund kürzlich sogar dazu entschieden, Artikel von Fast Fashion Marken gänzlich von ihrer Plattform zu entfernen. Ein ziemlich extremer Schritt, der auf sozialen Medien für Aufruhr gesorgt hat. Denn wohin sollen Endkonsument:innen dann mit ihren gebrauchten Fast Fashion Pieces?

 

Die Rolle von Textilrecycling vor dem Hintergrund von Fast Fashion

Genau hier könnte Faser-zu-Faser-Recycling ins Spiel kommen. Dabei handelt es sich um eine Art des Textilrecycling, die aus Altkleidern wieder neue Fasern gewinnt. Faser-zu-Faser-Recycling ist eine der vielversprechendsten Technologien für die Zukunft der textilen Kreislaufwirtschaft, denn es findet sowohl einen Verwertungsweg für ausgediente Kleidung, reduziert aber auch die Produktion neuen Garns für die Textilproduktion. Also eine absolute Win-Win-Situation!

McKinsey hat herausgefunden, dass aus mindestens einem Fünftel des Textilabfalls neue Kleidung werden könnte. Aktuell werden allerdings weniger als 1% des Textilmüll zu neuer Kleidung recycelt. Eine der wohl größten Hürden für das Faser-zu-Faser-Recycling bestand bisher darin, dass nur sortenreine Kleidungsstücke recycelt werden können, also zum Beispiel ein T-Shirt aus 100% Baumwolle oder ein Rock auf 100% Polyester. Das Startup eeden hat mittlerweile aber eine Technologie entwickelt, die es schafft, auch Mischfasern zu recyceln und in verschiedene Bestandteile zu zersetzen. Wir haben uns mit eeden's Marketing-Profi Julian zusammengesetzt und über Faser-zu-Faser-Recycling, Textilmüllberge und Meilensteine gesprochen.

 

Textilrecycling-Startup eeden im Gespräch

Hi Julian, stell dich doch bitte einmal kurz vor und erklär, was du bei eeden so machst.

Ich bin Julian Hertrampf, Wirtschaftspsychologe mit Schwerpunkt auf strategischem Marketing und Personalwesen. Vor meiner Zeit bei eeden habe ich in einem Startup im Kampagnenmanagement Kund:innen wie beispielsweise Peek & Cloppenburg beraten. Seit 2020 verstärke ich als erster Vollzeitmitarbeiter das Team von eeden, wo ich unsere Aktivitäten im Marketing und HR koordiniere und umsetze.



Wie kam die Idee für eeden zustande und was ist eure Mission?

Der Grundstein für eeden wurde an der Hochschule Niederrhein gelegt. Unser Gründer Reiner, damals Student der Textiltechnologie, stellte sich die Fragen: Was macht das nachhaltigste T-Shirt aus? Für ihn war klar, dass es aus recycelten Materialien bestehen sollte. Allerdings erkannte er hierfür eine entscheidende Hürde: Es fehlen qualitativ hochwertige Recyclingmaterialien auf dem Markt. Getrieben von seinem naturwissenschaftlichen Hintergrund und dem Wunsch, die Textilindustrie nachhaltiger zu gestalten, entschloss er sich gemeinsam mit Steffen, unserem Business Lead, diese Herausforderung anzugehen und eeden zu gründen.

Reiner und Steffen sind die Gründer des Faser-zu-Faser-Recycling Startups eeden.

 

Senior Policy Officer for Textiles Emily Macintosh (European Environmental Bureau) sagte letztens: "We can't recycle our way out of overproduction". Wie schätzt du die Rolle von Textilrecycling in der Kreislaufwirtschaft ein, vor allem vor dem Hintergrund von Fast Fashion?

Emily Macintosh hat einen wesentlichen Punkt angesprochen: Recycling allein ist kein Allheilmittel für die Überproduktion der Textilindustrie. Bei eeden sind wir uns dieser Herausforderung bewusst und betrachten Textilrecycling als einen wichtigen, aber nicht alleinstehenden Teil der Kreislaufwirtschaft. Der rapide Anstieg der Weltbevölkerung und des globalen Konsums, gepaart mit der sinkenden Qualität und Lebensdauer von Textilien, führt dazu, dass Textilabfälle exponentiell wachsen. Unsere Mission geht daher über reines Recycling hinaus. Wir setzen uns für einen ganzheitlichen Ansatz ein, der das Wiederverwenden von Produkten fördert und die Notwendigkeit der Neuproduktion reduziert. Recycling mindert zwar das Problem der Alttextilberge, aber um diese so klein wie möglich zu halten, müssen wir noch viel mehr auf vorbeugende Maßnahmen wie Reparaturen und den Secondhandmarkt setzen. Wo immer wir können, klären wir zu der notwendigen, ganzheitlichen Perspektive auf die textile Kreislaufwirtschaft auf.

“Recycling reduziert zwar das Problem der Alttextilberge, aber um diese so klein wie möglich zu halten, müssen wir noch viel mehr auf vorbeugende Maßnahmen wie Reparaturen und den Secondhandmarkt setzen.”

 

Die Besonderheit bei euch ist ja, dass ihr auch Mischfasern recyceln könnt. Kannst du mir nochmal die Technologie erklären, die hinter eeden steckt und wie das Ganze funktioniert?

Genau, unser Recyclingprozess ist speziell darauf ausgelegt, auch Mischfasern aus Baumwolle und Polyester zu verarbeiten, was eine besondere Herausforderung in der Branche darstellt. Wie sieht der Ablauf vom Alttextil zur Fasern nun aus? Zunächst werden die Alttextilien zerkleinert. Dann kommen sie in unseren dreistufigen Prozess: Wir beginnen mit der chemischen Trennung von Polyester und Baumwolle. Die gewonnenen Polyesterbestandteile können dann in verschiedenen Industrien wiederverwendet werden – nicht nur in der Modebranche.

Bei eeden können sogar Mischfasern gespaltet und zu neuen Fasern verarbeitet werden. Das ist ein großer Fortschritt im Textilrecycling!

Bei Baumwolle konzentrieren wir uns auf die Extraktion von Cellulose. Diese wird in weiteren Schritten so verarbeitet, dass sie zuerst entfärbt und dann spinnbar gemacht wird und sich für die Herstellung neuer Fasern eignet. Das Endprodukt sind dann hochwertige, weiße Celluloseplatten, die an die Faserindustrie geliefert und zu neuen Fasern wie Viskose oder Lyocell weiterverarbeitet werden. Der Clou dabei ist, dass wir nicht nur Textilmüll reduzieren, sondern zugleich wertvolle Cellulosefasern zurückgewinnen. Wir bieten ein hervorragendes Substitut für die Cellulosefaserproduktion, für die jährlich über 300 Millionen Bäume gefällt werden. Denn anstelle von Bäumen nutzen wir unsere Alttextilien als Ressourcen.

“Wir bieten ein hervorragendes Substitut für die Cellulosefaserproduktion, für die jährlich über 300 Millionen Bäume gefällt werden. Denn anstelle von Bäumen nutzen wir unsere Alttextilien als Ressourcen.”

Woher bezieht ihr die Altkleider, die in euren Recyclingprozess gelangen, und wer sind typischerweise eure Abnehmer?

Im vergangenen Jahr haben wir ein starkes Netzwerk für die Beschaffung unserer Ressourcen und auch für die Weiterverarbeitung aufgebaut und erweitern dieses stetig. Unsere Alttextilien beziehen wir derzeit hauptsächlich von deutschen Sammel- und Verwertungsunternehmen. Anschließend gehen die von uns aufbereiteten Materialien an Faserspinnereien, wo sie weiterverarbeitet werden.

Textilrecycling bei eeden: Baumwolle und Polyester werden zu Cellulose.

 

Findet euer Recyclingprozess hier in Europa statt?

Ja, wir stehen kurz vor dem Bau unserer ersten Produktionsanlage in Deutschland, genauer gesagt in NRW, einer Region, die sich unter anderem durch ihre starke Industrie auszeichnet. Mit dieser Anlage werden wir über die Zeit mehrere tausend Tonnen Alttextilien verarbeiten. Wir prüfen derzeit die Möglichkeiten, uns an bestehende Industrieparks anzuschließen, um von der vorhandenen Infrastruktur zu profitieren.

 

Was ist aktuell die größte Herausforderung für euch?

Tägliche Herausforderungen sind Teil unserer Arbeit, aber bisher haben sie uns nicht von unseren langfristigen Zielen abgehalten – klopf auf Holz, dass das genauso bleibt. Für das Frühjahr 2024 steht unsere nächste Finanzierungsrunde an. Anschließend folgen der Aufbau unserer Produktionsanlage, der Start der Zusammenarbeit mit Kund:innen, die Vorbereitungen für die Massenproduktion und die Erweiterung unseres Teams. Also eine wirklich spannende Zeit, auf die ich mich jetzt schon freue.

 

Quellen