EPR für Textilien: EU treibt Herstellerverantwortung voran

EPR für Textilien

Der EU-Rat hat letzte Woche ein neues Positionspapier zur EPR für Textilien (Extended Producer Responsibility) veröffentlicht. EPR steht in der EU schon seit einiger Zeit im Raum. Jetzt treiben EU-Mitgliedsstaaten die Implementierung voran und auch Verbände fordern eine schnelle Umsetzung. Erfahre in diesem Beitrag, mit welchen Punkten der EU-Rat die EU-Kommission beauftragt und was bei der Gesetzgebung weiterhin beachtet werden sollte, damit sie wirklich etwas bewirkt.

 

Inhalte

Was ist EPR für Textilien?

Wie ist der aktuelle Stand um EPR für Textilien?

Forderungen deutscher Verbände

Fazit zum aktuellen Stand der EPR für Textilien

 

Was ist EPR für Textilien?

Unternehmen, die Textilien in der EU verkaufen möchten, müssen nach Einführung einer EPR-Richtlinie für Textilien entlang des gesamten Lebenszyklus ihrer Produkte die Verantwortung übernehmen. Dies bedeutet, dass sie Gebühren für jedes Kleidungsstück zahlen müssen, das sie entsorgen. Die Erweiterte Herstellerverantwortung gilt schon für Verpackungen, Batterien sowie Elektro- und Elektronikgeräten aber soll nun auch auf Textilien ausgeweitet werden, weil sie so verheerende Umweltauswirkungen haben.

Das ist vor allem deshalb sinnvoll, weil aktuell immer noch ein Großteil an aussortierter Kleidung zerstört wird: In der EU werden im Schnitt nur 12% der Kleider überhaupt getrennt gesammelt – der Rest landet im Hausmüll und wird oft direkt deponiert oder verbrannt.

Die Niederlande und Frankreich gelten als Vorreiter in der EU, denn sie haben EPR für Textilien bereits eingeführt, bevor es auf EU-Ebene durchgesetzt wurde. Falls du dich erstmal informieren möchtest, was es genau mit der Erweiterten Herstellerverantwortung auf sich hat, empfehlen wir dir zuerst diesen Beitrag: Erweiterte Herstellerverantwortung (EPR): Die neue EU-Richtlinie für Textilien

 

Wie ist der aktuelle Stand um EPR für Textilien?

eu-parlament

Der EU-Rat hat sich am 17. Juni 2024 auf erste Aspekte in der EPR-Richtlinie festgelegt und ihre Position zur Erweiterten Herstellerverantwortung gefestigt. Mit folgenden Punkten beauftragen sie die EU-Kommission in einem Positionspapier:

  • Zielvorgaben für Abfallvermeidung, Sammlung, Vorbereitung zur Wiederverwendung und Recycling von Textilabfällen bis zum 31. Dezember 2028 zu prüfen und festzulegen
  • Im Papier fällt häufig das Wort "obligations", sodass davon auszugehen ist, dass die Erweiterte Herstellerverantwortung für alle Hersteller verpflichtend sein wird
  • Eine Website auf EU-Ebene einzurichten, die Links zu den von den Mitgliedstaaten eingerichteten Erzeugerregistern enthält
  • Aufnahme von Kleinstunternehmen in den Geltungsbereich der erweiterten Herstellerverantwortung in die Definition des Begriffs "Hersteller"
  • Einführung einer Option für die Mitgliedstaaten, den finanziellen Beitrag der Hersteller abhängig von der Menge der auf den Markt gebrachten Produkte zu modulieren, denn das sind diejenigen Hersteller, die die Industrie zu einer Überproduktion und einem übermäßigen Verbrauch von Textilerzeugnissen und damit zu einem übermäßigen Anfall von Textilabfällen führen.
  • Der Vorsitz im Rat der EU schlägt vor, die Umsetzungsfrist der EPR für Textilien von 18 auf 24 Monate nach Inkrafttreten der Richtlinie zu verlängern 
  • Was den Geltungsbereich der EPR-Richtlinie angeht, gibt es vorerst gute Neuigkeiten: Wenn ein Hersteller in einem Drittland (außerhalb der EU) ansässig ist und zum ersten Mal Textilien, textilbezogene Produkte oder Schuhe auf das Gebiet eines Mitgliedstaats bringt, muss dieser Hersteller eine juristische oder natürliche Person im betreffenden Mitgliedstaat als bevollmächtigten Vertreter benennen. Dieser Vertreter übernimmt die Verantwortung und Pflichten des Herstellers im Rahmen der erweiterten Herstellerverantwortung. Somit wird sichergestellt, dass auch Hersteller aus Drittländern den gleichen Verpflichtungen nachkommen wie Hersteller aus EU-Mitgliedstaaten.

Die Forderungen aus diesem Positionspapier werden im Herbst zwischen den EU-Regierungen, den Europaabgeordneten und der Kommission ausgehandelt.

 

Forderungen deutscher Verbände

Auf einer kürzlichen Tagung des Fachverband für Textilien hob bvse-Vizepräsident und Vorsitzender des Fachverbandes Textilrecycling, Stefan Voigt, hervor, dass an unserem in Deutschland bereits bestehenden System aus Sammlern, Sortierern und Verwertern nicht unbedingt etwas verändert werden müsse, die Branche aber finanzielle Unterstützung brauche, um ihre bewährten Dienstleistungen aufrecht zu erhalten. Diese zusätzlich Finanzspritze könnte durch EPR-Gebühren abbildbar sein:

„Unsere Branche verrichtet eine Dienstleistung an der Bevölkerung und muss, im Gegensatz zu anderen Stoffströmen, dafür bezahlen – und das sofort oder sogar vorab. Die Alttextilbranche benötigt dringend ein EPR-System, das frische Gelder in das System bringt und deren Wirken im Sinne der Kreislaufwirtschaft unterstützt. Stefan Voigt

Daher fordern die Verbände im starken Kontrast zum EU-Rat, dass die EPR-Richtlinie für Textilien schneller umgesetzt wird als bisher geplant: Statt der üblichen 30 Monate nach Inkrafttreten der neuen Abfallrahmenrichtliniedsoll die EU-Kommission nun nur 18 Wochen Zeit zur Umsetzung haben.

 

Fazit zum aktuellen Stand der EPR für Textilien

Im letzten Jahr hatten wir die Möglichkeit, den Niederlanden bei der Einführung einer nationalen EPR-Richtlinie für Textilien zuzusehen. Lies dir dazu bei Interesse folgenden Artikel durch: EPR für Textilien: Was wir von den Niederlanden lernen können

Abschließend wollen wir das aktuelle Positionspapier des EU Rat auf diejenigen Aspekte untersuchen, die uns bei der Betrachtung der Niederlande als besonders wichtig aufgefallen sind:

  • Auswirkungen auf den Globale Süden sollten berücksichtigt werden: Das Positionspapier des EU-Rats kommt leider kurz in Bezug auf die globale Rechenschaftspflicht, da es keine Bestimmungen enthält, die eine Übertragung der EPR-Gebühren zur Unterstützung von Regionen ermöglichen, die von Textilexporte aus der EU stark betroffen sind. Die Erweiterte Herstellerverantwortung kann nur dann sinnvoll funktionieren, wenn auch Länder mitgedacht werden, die am Ende der Wertschöpfungskette stehen und aktuell über eine mangelhafte Recycling-Infrastruktur verfügen!
  • Die EPR-Gebühren sollten höher ausfallen: Zur Höhe der Gebühren ist bisher keine Entscheidung gefallen. Hier gilt es weiterhin zu hoffen, dass die Gebühren so hoch ausfallen, dass sie Hersteller nachhaltig (pun intended) beeinflussen und sie die Sanktionen nicht einfach billigend hinnehmen.
  • Nachhaltig produzierte Kleidung sollte geringere Gebühren nach sich ziehen ("Ökomodulation"): Es ist bereits sehr zufriedenstellend, dass der EU-Rat anerkannt hat, dass die von Herstellern in die EPR-Systeme eingezahlten Gebühren auf der Menge der produzierten Textilien basieren sollten und dass bei der Berechnung der Gebühren auch die teils aggressiven Marketingpraktiken berücksichtigt werden sollten, die zu Überproduktion und vorzeitiger Entsorgung von Kleidung führen. Es bleibt zu hoffen, dass kreislauffähige Kleidungsstücke durch die Gebühren weniger belastet werden, sodass eine wahre Ökomodulation besteht, so wie sie nach der Betrachtung des EPR-Systems in den Niederlanden als sinnvoll erscheint. Da hört es sich aber im Positionspapier schon erfreulich an, dass der EU-Rat verspricht, Entscheidungen "im Einklang mit der Abfallhierarchie" zu treffen.
  • EPR sollte mit anderen Gesetzen kombiniert werden: Im Positionspapier wird bereits die Ökodesignverordnung genannt, die als Grundlage für die Entscheidung der Ökomodulation der Gebühren dient. Weitere Richtlinien bzw. Verordnungen, die für eine Kombination sinnvoll wären, sind der Digitale Produktpass oder das Verbot, unverkaufte Kleidung zu vernichten.

Auch die Ellen MacArthur Foundation stellt in einem kürzlich veröffentlichten Report fest, dass EPR-Systeme vor allem dann wirkungsvoll sind, wenn sie verpflichtend sind. Daher ist es beruhigend, dass im Positionspapier des EU-Rat häufig das Wort "obligations" fällt und dass auch Hersteller, die außerhalb der EU produzieren verantwortlich gemacht werden sollen.

Viele Aspekte in der Entwicklung um EPR für Textilien sind aus Umweltperspektive also sehr erfreulich und lassen hoffen, dass vor allem große Fast-Fashion-Konzerne endlich für die Entsorgung ihrer Produkte zur Rechenschaft gezogen werden. Auch wenn das Positionspapier des EU-Rat in einigen Aspekten wie der globalen Rechenschaftspflicht zu kurz kommt, sind andere wichtige Aspekte wie die Ökomodulation der Gebühren oder die Verpflichtung zur Teilnahme am EPR-System enthalten. Hoffentlich lassen sich hier durch Diskussionen mit der EU-Kommission noch weitere Dinge aushandeln und Schlupflöcher für große Konzerne vermeiden.

 

Quellen

https://www.ellenmacarthurfoundation.org/epr-policy-for-textiles

https://recyclingportal.eu/Archive/85414

https://www.bvse.de/gut-informiert-textil-recycling/pressemitteilungen-textilrecycling/10854-epr-das-thema-eigentum-an-den-textilien-wird-ein-zentrales-fuer-die-branche-sein.html

https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-10820-2024-INIT/en/pdf

https://www.oekonews.at/?mdoc_id=1190013